Freundliche Bitte um Verzicht auf Schweizer Seite
Der CSD Konstanz erhielt eine freundliche Mail von einer besorgten Mutter, Frau Isabelle K. aus Kreuzlingen.
Ich nehme mir mal die Freiheit, Frau K. zwischen ihren Zeilen zu antworten.
Guten Tag, Herr B.
Wie ich ihrer Webseite entnehme, ist von Ihrer Seite aus ein Grenzübertritt mit Ihrer ‘bunten Truppe’ geplant.Diese soll dann für eine Weile durch unsere Kreuzlinger Strassen ziehen.
Liebe Frau K., das verstehen Sie richtig. Es ist eine Demonstatation für Menschenrechte, durch Konstanz und Kreuzlingen geplant, angemeldet und genehmigt.
Ich bin eine besorgte Mutter und stehe mit meinem Anliegen nicht alleine da.
Mir/uns wäre lieber, Sie und ihre ‘bunten Freunde’ würden das bei uns in Kreuzlingen sein lassen.
Liebe Frau K. Wir finden es schön, mit farbenfrohen Outfits und Make Up und Fahnen auf uns und unsere Rechte aufmerksam zu machen. Wir definieren uns nicht oder nicht alle in heteronormativen Verhaltensmustern. Das ist ein Teil unseres Stolzes, nach dem oft schmerzhaften Weg der Selbsterkenntnis, eben den Erwartungen der Umwelt an uns, nicht gerecht werden zu können, weil wir uns in unserer sexuellen Orientierung und / oder geschlechtlichen Identität nicht den von der Mehrheitsgesellschaft als „normal“ empfundenen Mustern wieder finden. Wer also diesen schweren Weg der Selbsterkenntnis gegangen ist, sich aus Ängsten, Zwängen und Schmerzen befreit hat, um zu leben, wie mensch sich fühlt, darf zu Recht ein Gefühl des Stolzes haben, das geschafft zu haben. Und wenn dann noch eine Community, eine Gemeinschaft drum herum ist, die den Rücken stärkt, um so besser. Vielleicht ermutigen wir so, auch Menschen aus dem Schrank, also aus ihrem versteckten Leben zu kommen.
Wir sehen dem – weltweit – schon eine gute Weile lang zu und haben JETZT genug davon.
Verstehen Sie mich richtig:
Ich kenne Sie nicht persönlich, ich habe nichts, weder gegen Sie noch gegen Ihre wie-auch-immer-gearteten Freunde.
Mir ist egal, was Sie und Ihre Leute in Ihren Schlafzimmern machen, solange alle Beteiligten damit einverstanden sind.
Liebe Frau K. Sie sind mit dieser Aussage nicht weit davon entfernt, zu sagen: Ich kenne Sie nicht persönlich, ich habe nichts, weder gegen Sie noch gegen Ihre abartigen Freunde. Sie haben die Kurve noch mal gut bekommen. Kompliment!
Ich bin es aber leid, dass dieser ‘WEF-2030-Agenda’-Punkt (rekrutieren, nicht reproduzieren) unseren Einwohnern, vor allem aber den Kindern und Jugendlichen, konstant um die Ohren gehauen wird.
Pausenlos.
Überall.
Genug ist genug.
Liebe Frau K. Ja, die LGBTIQ Community ist ein wirtschaftlich interessantes Klientel. Die sozialen Medien sind jetzt im Pride Month wieder voll von Anzeigen , die in Regegenbogenfarben auffordern: „Jetzt Kaufen!“ Doch verstehe ich Ihren Schlenker zum World Economic Forum nicht ganz. Dort heisst es auf der Startseite:
„Leben im Jahr 2030: Mensch und Maschine
Die Welt steht auf der Schwelle einer neuen Revolution, angetrieben von neuen Technologien vom Gen-Editieren zur künstlichen Intelligenz und dem 3D-Druck. Wie werden diese Technologien das Leben der nächsten Generation verändern?
Welche Technologien sind wirklich bahnbrechend? Was für moralische, ethische und soziale Bedenken werfen sie auf? Wie werden diese Technologien die Geschäftswelt, das Regierungswesen und die Gesellschaft verändern?Wie können Mensch und Technologie zusammenarbeiten, um bessere Ergebnisse zu erzielen?“
Doch was hat das jetzt mit der LGBTIQ+ Community zu tun? Ich kann Sie beruhigen. Queere Menschen sind keine Cyborgs, die die Herrschaft über das Universum anstreben. Sie werden also niemals von uns hören: Widerstand ist zwecklos! Sie werden assimiliert!
Diese Art von zur Schaustellung gehört ins Rotlicht- und Nachtleben-Milieu, hinter verschlossene Türen, nicht am hell-lichten Tag auf die Strasse, vor die Augen und mitten ins Gesicht der Kinder und Jugendlichen.
Liebe Frau K. Es tut mir leid, Ihnen auch hier widersprechen zu müssen. Die Männer, die im Rotlichtmillieu billigen, schnellen Sex suchen, sind eine andere Zielgruppe. Sie haben nichts mit LGBTIQ+ Personen zu tun. Diese Männer sehen Sexualität als käufliche Dienstleistung. Klären Sie Ihre Tabus bitte in Ihrer Peergroup. Das soll jetzt nicht heissen, dass es in der LGBTIQ+ Welt keine Prostitution gibt. Nur ist diese für uns kein Tabuthema.
LGBTIQ+ People leben den ganzen Tag mit Ihnen zusammen, stehen mit ihnen beim Bäcker oder kassieren im Supermarkt, versorgen Sie und Ihre Kinder, wenn sie krank sind, kontrollieren Ihre Flug- oder Zugtickets, entsorgen Ihren Müll oder arbeiten in der Verwaltung Ihrer Gemeinde. Somit haben wir ein gutes Recht, als Teil der Gesellschaft sichtbar zu sein.
Kreuzlingen ist eine Stadt mit einem sehr grossen Anteil muslimischer Bevölkerung, die das ebenfalls wenig goutiert und die Kreuzlinger haben sich eben erst, im Mai 2023, gegen den staatlich verordneten Gender-Sternchen-Sprech ausgesprochen.
Das ist ein deutliches Signal.
Liebe Frau K. Lassen Sie die muslimische Gemeinde bitte für sich sprechen. Auch in dieser gibt es LGBTIQ+ People, die es oft sehr schwer haben.
Wenn Ihr Signal bedeuten soll, wir mögen uns unauffällig in die Ecke setzen und den Mund halten, anstatt für unsere Rechte einzutreten, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass wir dieses Signal wieder und wieder übersehen und überhören werden.
Ich bitte Sie, mit allem Respekt, auf den Umzug durch unsere Schweizer Strassen zu verzichten.
Liebe Frau K. Dieser Bitte werden wir leider nicht nachkommen.
Kommen Sie ordentlich gekleidet und zivilisiert in die Schweiz.
So sind Sie uns herzlich willkommen.
Gendern und transformieren, belagern und tanzen Sie bitte in Deutschland.
Liebe Frau K. Natürlich kommen wir ordentlich gekleidet in die Schweiz, in allen Farben des Regenbogens, in der Kleidung, in der sich jede Person wohl fühlt. In Röcken und Hosen, in Kleidern, so wie es jeder Person gefällt. Wir werden jedoch keinen Dresscode ausrufen. Wir werden demonstrieren, tanzen und gendern, wie es uns beliebt. Belagern werden wir nicht. Das ist eine kriegerische Handlung. Wir kommen in Frieden!
Kreuzlinger, die daran ein gesteigertes Interesse haben, werden ihren Umzug in Konstanz sicher gerne besuchen und sich am näckischen Treiben erfreuen, da es ja geografisch nur ein Katzensprung entfernt ist.
Liebe Frau K. Sie werden doch jetzt nicht wirklich die Kreuzlinger*innen, also Schweizer*innen der Stadt verweisen wollen, die in ihrer Heimat stolz für ihre Rechte auf die Strasse gehen wollen? Ich habe Sie da doch hoffentlich missverstanden. Dass Sie das Einstehen für die eigenen Rechte in Form einer Demeonstration als „näckisches Treiben“ bezeichnen, sagt auch so einiges über Ihr Demokratieverständnis. Das Pride Village befindet sich in diesem Jahr in Kreuzlingen und wird vom CSD Kreuzlingen ausgerichtet. Insofern wird die Demonstration von Konstanz nach Kreuzlingen gehen.
Lassen Sie mich bitte wissen, wie Sie sich entschieden haben.
Das ist somit geschehen.
Besten Dank und mit freundlichen Grüssen
Ebenfalls mit besten Grüßen
Schwester Agnetha Maria R.
6 Antworten
Sehr gut geantwortet….klasse
Vielen Dank. 🙂
Gute Antwort!
Vielen Dank. 🙂
Liebe Schwester Agneta Maria,
ich möchte dir meinen aufrichtigen Respekt und meine Wertschätzung dafür ausdrücken, wie souverän du mit dieser an Lächerlichkeit grenzenden, mich peinlich berührenden Kritik umgegangen bist. Deine Antwort war erfrischend, bestimmt und zeugte von fundierten Kenntnissen. Es hat mich prächtig amüsiert, wie du mit einer Prise Ironie geantwortet hast.
Es ist bewundernswert, wie du dich für die Durchführung der CSD-Parade auf der Schweizer Seite in Kreuzlingen eingesetzt hast. Indem du dich für die Sichtbarkeit und Akzeptanz von LGBTQ+-Gemeinschaften in der Schweiz einsetzt, trägst du zu einer offenen und toleranten Gesellschaft bei.
Deine Antwort zeigt, dass du nicht nur den Mut hast, für deine Überzeugungen einzustehen, sondern auch die Fähigkeit besitzt, mit Verständnis und Respekt auf abweichende Meinungen zu reagieren. Du bleibst bei der Sache, ohne dabei den Humor(und ich feiere, dass er so herrlich schwarz ist!!! ; ))) zu verlieren.
Schwester Agathe, erhebe weiterhin deine wunderbare Stimme
und setze dich genauso unverdrossen auch in Zukunft für Gleichberechtigung und Akzeptanz ein. Deine Arbeit und dein Engagement sind von unschätzbarem Wert und tragen dazu bei, dass unsere Gesellschaft inklusiver und vielfältiger wird.
Du bist Vorbild und Impuls!
Vielen Dank für deine inspirierende Haltung und dein Wirken!
Eloka
Liebe*r Eloka,
vielen Dank für Deine Reaktion.
Sie hat mir ein wenig zarte Röte ins Gesicht gezaubert, die man aber unter all der Farbe leider gar nicht sieht.
Und ja, bei aller Spitzfindigkeit, ist Respekt auch und gerade in solchen Fällen wichtig, wo die Person gegenüber
diese vermissen lässt. Hab eine gute Zeit. 🙂